Hundewissen einfach erklärt
17.06.2022 17:00

Angst frisst Hund - Teil 1

Angst frisst Hund auf - Angstfä(e)lle aus dem In- und Ausland, Teil 1 Grundgedanken

Immer öfter hört und liest man in den Medien Hilfegesuche von Hundehaltern, die sich aus dem Ausland und/oder während des Corona-Lockdowns einen Hund angeschafft haben.

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Als Hauptproblem werden extrem ängstliche und unsichere Hunde beschrieben. Diese Hunde zeigen sich komplett überfordert hinsichtlich der an sie gestellten Ansprüche, denen sie auf einmal gerecht werden sollen. Sie reagieren mit klassischen Stresszeichen und im schlimmsten Fall mit massiven Verhaltensauffälligkeiten. Um die Reaktion der Hunde auf ihre neue Umwelt zu verstehen, muss man sich in Erinnerung rufen, wie und wo diese Hunde vorher lebten.

Die Hunde lebten an ihrem Ursprungsort wild und sich selbst überlassen auf der Straße. Sie haben als Welpe oder Junghund gelernt, Mülltonnen nach fressbarem zu durchstöbern und Kleintiere (wzB Ratten, Vögel und Hasen) zu jagen und sich so selbst zu versorgen. Sie lebten räumlich (nicht im Haus, Zwinger, Garten, Hof) relativ unbegrenzt und meist nicht im Sozialverband mit Menschen.               

Diese Hunde meiden Menschen, weil sie aggressiv vertrieben und verfolgt wurden, denn sie konkurrieren mit diesen um den gemeinsamen Lebensraum.  

Die Tiere werden im besten Fall ignoriert, im schlimmsten Fall mit Schlingen gefangen, vergiftet, totgeschlagen, misshandelt oder als Welpe zu früh von der Mutter entfernt. Danach pfercht man sie zu hunderten auf engstem Raum ein; oft kurz vor dem Verhungern oder Erfrieren, medizinisch schlecht bis gar nicht behandelt. Hühnern in Legebatterien gleich, werden sie unter katastrophalen Umständen zusammengesperrt und kommen so vom Regen in die Traufe. 

Nicht jeder Hund, der ohne menschliche Fürsorge lebt, muss oder will „gerettet“ werden. Probleme beginnen oft erst in der Obhut des Menschen.

Werden sie dann aus den Auffangstationen zu Tausenden nach Deutschland „gekarrt“ gelangen Sie auf eine Pflegestelle oder in eine Auffangstation bzw. in ein Tierheim.   

Leider werden viele dieser Hunde oft unseriös auf einem Autobahnparkplatz, direkt aus dem Transportbus heraus wie Hehlerware - gegen eine obligatorische Geld- und Futterspende - an vollkommen unerfahrene Neuhundehalter oder Erstpflegestellen, übergeben. Im letzteren Fall werden diese Tiere, wenn sich Problemverhalten manifestiert, von den hoffnungslos überforderten Menschen gerne wieder abgegeben.

Woher kommen alle diese Hunde oder der Großteil eigentlich?

2020 wurden monatlich 555.000 Hunde zwischen den EU-Staaten gehandelt, nur knapp 21.000 davon waren registriert. Diese Zahlen deuten darauf hin, dass ein Großteil des Handels mit Hunden illegal abläuft. (Quelle: Europäische Kommission)

Der illegale Tierhandel ist das drittgrößte Geschäftsfeld nach Drogen- und Waffenhandel!  

Man spricht von „Intensivzucht“ in Osteuropa, vor allem in Ungarn, Polen, Rumänien und Tschechien werden auf Welpen Farmen, Hunde für den weltweiten Schwarzmarkt gezüchtet oder von den Straßen weggefangen. Die Tiere finden dann unter anderem über Onlineplattformen ihren Weg in deutsche Haushalte. Innerhalb des Schengen-Raums etabliert sich eine Hundemafia, da nicht nur Menschen sich ohne Passkontrolle über Grenzen hinwegbewegen können, sondern Hunde auch.Auf ähnlichen Transportwegen finden über den Tierschutz viele der ehemaligen Straßenhunde ihren Weg zu uns.

Von der Straße in deutsche Wohnzimmer transportiert

Nach der Odyssee von der Straße zum Animal Shelter oder der Welpen Farm kommen die Hunde nun bei uns an und erleben einen kompletten Kulturschock. Alles was vorher für den Hund überlebenswichtig und richtig war, ist aus Sicht des Menschen ab sofort falsch!

Statt den Menschen zu meiden, sollen die Hunde mit uns nun im engen Kontakt leben. Das Tier soll ab sofort keine Mülltonnen plündern, nicht bellen oder knurren, stubenrein sein und Kleintiere dürfen nicht mehr gejagt werden. Bälle aber schon! Alles was sein Überleben vorher sicherte, ist jetzt verboten, wird korrigiert oder bestraft! Lieb, nett und putzig soll er sein, hübsch anzuschauen und er muss sich jederzeit von jedem gerne anfassen lassen. Hat er vorher auf der Straße oder in einem Zwinger gelebt, soll er nun die gut geheizte Wohnung oder das Haus zu schätzen wissen. 

Er soll brav an der Leine gehen und artig stundenlang allein zu Hause bleiben, während wir unbeeinträchtigt unser tägliches Leben wie gewohnt weiterführen wollen. Dies trifft nicht nur auf Hunde zu, die Freilebend auf der Straße im Ausland groß wurden, sondern auf alle Hunde die weitgehend sich selbst überlassen waren, wie zum Beispiel schlecht oder fehlgeprägte Welpen vom Vermehrer, Hunde aus reiner Zwingerhaltung und aus inländischen Animalhording Fällen.

Nur allzu gern stellen wir Menschen unser Ego mit unseren Bewünschnissen in den Focus und haben widersprüchliche und zu hohe Ansprüche an den Hund, sind selbst aber nicht dazu bereit oder fähig, die Verantwortung für daraus resultierendes Fehlverhalten des Hundes zu übernehmen oder uns bewusst zu machen, was wir von den damit total überforderten Hunden verlangen. 

Nun wird versucht, geprägtes und etabliertes Verhalten des Hundes mit Kommandos und Zwang zu korrigieren. Es wird mit Wasserflaschen „gespritzt“, Wurfscheiben geworfen, es werden „Meidebögen“ impliziert und an der „Impulskontrolle“ herumgebastelt.  

Hunde die eigentlich die Nähe des Menschen brauchen, werden mit Reizangeln und Futterbeuteln vom Menschen wegtrainiert. Anstatt dem Hund Sicherheit und Führung zu vermitteln, gibt man ihm zu viel Raum oder zu viele Rückzugsorte und wartet passiv auf Besserung, die sich aber unter diesen Gegebenheiten niemals einstellen kann und wird.   

 Man wartet förmlich darauf, dass der Hund etwas falsch macht, damit man ihn bestrafen kann, anstatt ihn dafür zu belohnen, was er schon kann. Warum verschwendet man freiwillig so viel Energie auf negative Methoden? Und vor allem, warum löst man die Probleme des Hundes nicht, sondern deckelt oder kaschiert sie nur? Man quält sich selbst und den Hund mit abstrusen, teils brutalen und unlogischen Vorgehensweisen und wendet antiquierte und längst veraltete Ausbildungsmethoden an.

Und auch wenn man nach der Tierschutzrelevanz dieser Methoden fragen muss, benutzt man sie weiterhin vollkommen ungehemmt. Weil, was schon immer so gelehrt wurde MUSS zwangsläufig gut sein? Was in einem gedruckten Buch oder noch schlimmer, im Internet steht ist immer richtig? Hö? Und morgen falle ich vom Rand der Welt! 

Unbewusst setzt der Hundehalter mit der negativen Ausbildungsmethodik einen Teufelskreis für das neue Mensch-Hund-Gespann in Gang und die anfängliche Euphorie, über den neuerworbenen Hund, der das eigene Leben bereichern und verschönern soll, wandelt sich schnell in Frust, Wut und Enttäuschung um. 

Und täglich grüßt der Verhaltensfehler oder eat, educate, sleep, repeat …..

Um auf die Problemhunde mit Präge- oder sogenannten Deprivationsschäden im speziellen einzugehen, muss man dringend sagen, dass es leider mehr geprägte Fä(e)lle als vermutet gibt und dort KEIN Trainer mehr helfen kann! Dies sind die Hunde, die nach jedem Therapieversuch in ihr ursprüngliches Verhalten zurückfallen. Bei denen es einmal gut funktioniert und beim nächsten Mal alles Neugelernte vom Hund vergessen zu sein scheint und man ständig bei Null neu startet.   Für die Hundehalter beginnt dann unter großem Leidensdruck eine kostenintensive Trainer Odyssee und für die Hunde ein Methodik-Martyrium.  

Die verzweifelten Hundehalter suchen überall nach Hilfe und ergreifen jeden dargereichten Strohhalm, wen wundert es da, dass fragwürdige Geschäftsmodelle auf dem Markt sind und sich am Leid von Mensch und Hund bereichern. 

Praktische Hilfe bekommt man nur in der Praxis, was das Wort schon beinhaltet, also real vor Ort! Online - sei es in Foren, PodCasts, Filmen, Apps, Social Media oder wo auch immer - wurden bis jetzt nur Tamagotchi’s erfolgreich therapiert. 

Virtuell kann ein Trainer allenfalls beratend tätig sein, wobei man unseriös, online vermittelte Ferndiagnosen und Therapievorschläge von selbsternannten, unausgebildeten Speziallisten gepflegt ignorieren sollte. Ihrem Hund zuliebe!

 Als zuletzt gerufener Hundetrainer bleibt einem oft nur die traurige Aufgabe, den Haltern bewusst zu machen und ihnen klar vor Augen zu führen, dass sie mit diesem Hund niemals ein „romantisches Happy End“ erfahren werden und ihnen nur ein Annehmen der aktuellen Situation bleibt. Der Hundetrainer kann dem Hundehalter oft nur ein „Handling“ geben bzw. nur die Symptome therapieren.  

Sollte aufgrund erfolgloser Therapie die Abgabe des Hundes erfolgen, weil der Halter dem Hund nicht helfen kann oder es zu gefährlich für Mensch und Hund wird, ist diese Entscheidung zu respektieren! Eine Abgabe kann auch eine Lösung für Beide sein und ist nicht negativ zu bewerten oder gar als Versagen anzusehen! Was für den einen Menschen ein „Problemhund“ ist, kann für einen anderen akzeptables Verhalten sein. 

Was also ist zu tun?

Man sollte generell abwägen, ob es ein Hund aus dem Ausland sein muss, der oft unter fragwürdigen Umständen hierher verschoben wird - um hier sein Leben im Tierheim und damit in lebenslanger Verwahrung zu verbringen. Eventuell ist er hier fehl am Platz und man hätte ihn vielleicht besser da gelassen, dort wo er schon relativ gut gelebt hat. Alles andere bedeutet nur eine Verschleppung des Problems bzw. des Hundes selbst. 

Sollte man mit diesem Wissen die Anschaffung eines Hundes aus dem Ausland nicht generell kritisch hinterfragen? Dient sie doch in erster Linie nur dem Egoismus des Menschen - sei es der vermeintlich günstige Anschaffungspreis oder das Ausleben des persönlichen „Mutter Theresa“ Syndroms. Schließlich hat man einen Hund gerettet, der aber gar nicht gerettet werden musste und damit im Leben dieses Tieres Probleme verursacht, die es vorher nicht hatte. Das soll nicht bedeuten, dass es alle (geschätzt 375 Millionen) weltweit lebenden Straßenhunde gut haben! 

Viel besser wäre doch, würde man das Problem der Straßenhunde vor Ort gar nicht erst entstehen lassen. Wenn man wirklich helfen möchte und in dieser Thematik etwas verändern möchte, sollte man sich vielleicht ein Hilfsprojekt vor Ort (Auslandstierhilfe) suchen, dass man gerne durch Sach- und/oder Geldspenden unterstützen möchte. Tierschutz ist richtig und an der passenden Stelle auch wichtig! Dies aber ist eine andere Geschichte. 

Alle Hundefreunde, die mit dem Gedanken spielen sich einen Hund anzuschaffen, sollten dies alles vorher bedenken. In die Überlegung, woher der Hund stammen soll, muss auch mit einfließen was man mit dem Hund machen möchte.

- Welche Ansprüche habe ich an meinen zukünftigen Hund?

- Welche Fähigkeiten, in Bezug auf das urbane Leben und das Zusammenleben mit dem Menschen generell, soll der Hund mitbringen?

- Bin ich sachkundig genug, um mit eventuell auftretenden Problemen umgehen zu können und falls nicht, woher bekomme ich Hilfe oder Unterstützung? 

- Wenn man sich einen Hund aus dem Ausland holt, welchen Lebensansprüchen musste der Hund dort gerecht werden und passt dies in mein Leben?

- Ist der Hund geimpft, auf Endo- und Ektoparasiten geprüft und tiermedizinisch abgeklärt.

- Bin ich bereit, die nächsten 10 bis 15 Jahre meine persönliche Freiheit einzuschränken, wenn es um Freizeit- und Urlaubsgestaltung geht.

- Bin ich bereit, die Kosten zu tragen (Steuern, Versicherung, Futterkosten, Zubehör, evtl. Trainer, Hundesportverein und Tierarzt).

Ein Hund kostet in 10 Jahren durchschnittlich 10- bis 40.000 Euro (Quelle: Statista) und ist somit ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor.

Petra Puderbach  



Bildquelle: @Boxernotruf / www.boxernotruf.de   P.S.: Der Hund vom Bild wurde gut vermittelt. 

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